Piroska Gavallér-Rothe ist Autorin des Handbuchs «Wertschätzend Klartext reden». zVg
20.09.2023 23:45
Raus aus dem Streit, rein in Liebe
Interview mit Paartherapeutin, Kommunikationsexpertin und Autorin Piroska Gavallér-Rothe
Sie steht für wertschätzende Kommunikation ohne Chichi: Piroska Gavallér-Rothe aus Salenstein bietet Kurse in der Karthause Ittingen an, in denen sie Paare «Raus aus dem Streit, rein in Liebe» lenkt.
Frau Gavallér, was war die schlimmste Krise, die Sie zusammen mit Ihrem Mann meisten mussten?
Wir hatten keine schlimmste Krise, sondern eine durchgängige Krise. Der Grund waren unsere Streitereien, in denen wir uns immer wieder verstrickten. Ohne es zu merken, folgten sie einem wiederkehrenden Muster: Wollte ich mit meinem Mann etwas Kritisches besprechen, ging er auf Tauchstation. Legte ich nach und wurde deutlicher, tauchte er noch weiter ab.
Ein echter Teufelskreis ...
Je mehr er sich entzog, umso mehr ging ich auf Konfrontationskurs – bis ich irgendwann laut wurde und er auftrumpfen konnte: «Wer schreit ist im Unrecht!». Das hat mir den Stecker gezogen. Ich war hilflos, weil ich nicht wusste: «Wie kann ich meine Themen an meinen Mann herantragen kann, sodass ich auch gehört und verstanden werde?» Ich begann zu resignieren.
Dann haben Sie begonnen zu kämpfen?
Ja, denn ich merkte: Das will ich nicht haben! Ich will nicht frustriert und resigniert in meiner Ehe dahinvegetieren. Ich möchte eine glückliche und erfüllende Partnerschaft haben – und zwar mit meinem Mann, zu dem ich bei unserer Heirat «Ja» gesagt habe.
Welchen Einfluss gab es von aussen?
Von meinen Freundinnen gab es Mitgefühl oder gut gemeinte Tipps. Beides hat mir aber nicht wirklich geholfen. Den Wendepunkt brachte ein Vortrag eines Paartherapeuten. Dort haben wir viel über Streitdynamik gelernt und verstanden, was es braucht, um entspannter im gemeinsamen Umgang zu werden.
Und was haben Sie konkret gemacht?
Trotz aller Streitereien – eine Trennung war für uns beide keine Option. Als Folge des Vortrags haben wir uns entschieden, uns begleiten zu lassen. Weil der vortragende Paartherapeut meinte, wir seien argumentativ gewieft und äusserst eloquent, hat er uns eine sehr erfahrene Paartherapeutin in Wiesbaden empfohlen – obwohl wir damals in Stuttgart wohnten! Anfangs alle zwei Wochen, später einmal im Monat sind wir so nach Wiesbaden gereist und das sogar, nachdem wir in die Schweiz gezogen sind.
Wie erkenne ich eine glückliche Beziehung oder Ehe? Was macht diese aus?
Das ist leicht zu erkennen: Entscheidend ist, wie glücklich und zufrieden die Menschen in der jeweiligen Beziehung sind. Natürlich nicht durchgängig, denn das wäre surreal. Und doch muss es ausreichend Momente geben, in denen sich für beide Teile elementare Bedürfnisse erfüllen. Neben rein physischen Bedürfnissen wie Essen, Trinken und Sex geht es dabei auch um beziehungsorientierte Bedürfnisse wie ausreichend Kontakt, Austausch, emotionales Verständnis und Verbindung. In meiner Arbeit erlebe ich weiterhin, dass diese beziehungsorientierten Bedürfnisse vorwiegend von Frauen adressiert werden. Ihre Männer wiederum sind oft ratlos, weil sie zwar hören, was fehlt, aber anfangs nicht verstehen, wo das eigentliche Problem ihrer unzufriedenen Frauen liegt.
Welche Alarmzeichen deuten darauf hin, dass es nicht funktioniert?
Wenn das Gefühl der persönlichen Unzufriedenheit wächst, dann ist das ein erstes Alarmzeichen. Viele Menschen nehmen diese innere Regung allerdings nicht wahr oder können sie nicht wirksam kommunizieren. Dann aber kann es auch keine Abhilfe geben. Nimmt die Unzufriedenheit zu, entlädt sie sich häufig in erhöhter Gereiztheit, Vorwürfen und Vorhaltungen. Andere Menschen werden zunehmend bitter, zynisch oder gehen in die Resignation.
Gehört Streit nicht zum Leben dazu?
Selbstverständlich gehören Auseinandersetzungen zum Leben. Es fragt sich nur, wie man sie austrägt. Nicht nur Streit, auch Abgrenzung und Rückzug sind kritisch. In all diesen Fällen kann nämlich kein emotionales Verständnis für das entstehen, was die Beteiligten im Grunde bewegt. Genau das ist aber wichtig, um entspannt Lösungen zu finden, die für beide Seiten wirklich stimmen.
Wie definieren Sie Liebe?
Liebe ist für mich das Gefühl einer tiefen Verbundenheit. Ein ernsthaftes Ja zueinander und die Bereitschaft miteinander und aneinander zu lernen und zu wachsen. Es ist das Gefühl, das sich einstellt, wenn ich in der Tiefe meiner Seele erkannt und begriffen werde. Das ist übrigens nichts Abgehobenes. Es geht darum, in den eigenen Gefühlen und Lebenssehnsüchten gesehen, verstanden und anerkannt zu werden – auch und insbesondere im Lichte der eigenen Biografie. Erwachsene Liebe bedeutet aber auch: So gut Sorge für sich und die eigenen Befindlichkeiten zu tragen, dass ich sie ohne Drama an mein:e Partner:in herantragen kann.
Welche Rolle spielen Vertrauen und Ehrlichkeit?
Vertrauen und Ehrlichkeit sind essenziell. Nur so kann wahrhaftige Begegnung und Beziehung möglich werden. Vertrauen und Ehrlichkeit wirken dabei wechselseitig: Das Vertrauen, sich so zeigen zu können, wie man ist, lädt ein, ehrlich und authentisch zu sein. Wenn das Gegenüber ehrlich und authentisch ist, dann fördert das Vertrauenswürdigkeit: Man weiss, woran man ist. Genau das übrigens war auch eine der Lernkanten meines Mannes: Darauf vertrauen zu können, dass ich nicht nur seine Schokoladenseiten haben möchte, sondern auch das, wo er herausfordernd ist für mich. Sich in einer gefassten Art zumuten zu können und sich zumuten zu dürfen – das sind Zeichen einer reifen Liebe.
Wie funktioniert «wertschätzende Kommunikation»?
Wertschätzende Kommunikation ist nicht nur eine Technik, sondern auch eine Haltung. Deshalb kann ich das «Wie» auch nicht in ein paar Worten erklären, wenn es seriös bleiben soll. Letztlich geht es um konkretes Handwerkszeug für folgende Fragen: Wie kann ich erstens klar zum Ausdruck bringen, was mir wichtig ist, ohne damit meinem Gegenüber auf den Schlips zu treten? Wenn ich weiß, wie das geht, erhöht das die Chance, besser gehört und verstanden zu werden. Zweitens braucht es aber auch Ohren, die einfühlsam verstehen können. Nicht nur dann, wenn mein Gegenüber wertschätzend Klartext redet, sondern insbesondere auch, wenn mein Gegenüber hässig ist oder mir Vorwürfe macht. Was ich aus Erfahrung weiß: Wenn Paaren nach und nach beides gelingt, dann klappt’s auch besser in der Beziehung.
An wen richtet es sich Ihr Buch «Wertschätzend Klartext reden»?
An meinem Buch werden Menschen Freude haben, die sich intensiver mit dem Thema Kommunikation auseinandersetzen möchten. Obwohl ich viele Formulierungshilfen und praktische Beispiele gebe, geht es nicht nur um eine Veränderung der Wortwahl. Es geht auch darum, die Psycho-Logik bestimmter Verhaltensweisen zu verstehen: Was geschieht, wenn wir in Streit geraten, eine:r von uns das Gespräch abbricht oder sprachlos wird? Und was können beide von uns tun, damit sich das ändern kann?
Wie ist die erste Veranstaltung verlaufen? Auf was können sich die Teilnehmenden für die zwei weiteren Abend freuen?
Mir hat die erste Veranstaltung Freude bereitet, denn in den Pausen gab es regen Austausch und im Anschluss interessante Fragen. Auch dass mein Mann mit dabei ist, kam entsprechend der Rückmeldungen gut an, weil er meinen Input durch seine weniger psychologisch geprägten Sichten und Erfahrungen ergänzt und Paare sich teilweise in uns erkennen. Im nächsten Termin geht es um die Frage wie Streit entsteht und was es braucht, um herauszufinden aus der Streitdynamik. Und im übernächsten Termin schauen wir, wie mithilfe von bewusster Kommunikation Paare mehr Verbindung und Intimität erleben können.
Interview: Stefan Böker
«Streit lass nach»
Piroska Gavallér-Rothe ist Autorin des Handbuchs «Wertschätzend Klartext reden». Sie wohnt mit ihrem Mann in Salenstein. Die nächste Veranstaltung «Streit lass nach!» findet am Donnerstag, 28. September, 19.30 bis 21.45 Uhr, in der Karthause Ittingen im Fehrenhaus statt.
gavaller-rothe.com