Gegen eine Erhöhung des Rentenalters
Am 3. März kommt neben der 13. AHV auch die Initiative zur Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre zur Abstimmung.
Fordern ein Nein zum Rentenalter 67 (v.l.): Simon Vogel, Kantonsrat Junge Grüne Thurgau, Nina Schläfli, Nationalrätin SP Thurgau, Sonja Wiesmann, Kantonsrätin SP Thurgau, Ernst Zülle, Vertretung Travail.Suisse, Lukas Auer, Präsident Gewerkschaftsbund Thurgau, Erika Hanhart, Kantonsrätin Grüne Thurgau. Bild: Nico Wrzeszcz
Am 3. März kommt neben der 13. AHV auch die Initiative zur Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre zur Abstimmung.
Frauenfeld Am vergangenen Montag informierte das Nein Komitee Thurgau gegen eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre. Schon heute gelte der Grundsatz: wer es sich leisten könne, geht früher in Pension. «In Branchen mit hohen Löhnen wie bei den Banken und Versicherungen ist die Quote der Frühpensionierungen sehr hoch», erklärte Lukas Auer, Präsident des Thurgauer Gewerkschaftsbundes. Da diese Abstimmung in den Parteien intern sehr umstritten sei, habe man ein Komitee gegründet. «Wenn das allgemeine Rentenalter steigt, bleibt den Menschen, die es bereits im Erwerbsleben schwierig haben, immer weniger Zeit im verdienten Ruhestand», so Auer weiter. Dazu komme, dass man Personen über 50 Jahren prinzipiell bei der Jobsuche ablehne, Berufserfahrung sei nicht mehr so sehr gefragt wie noch früher. Interessant sie auch, dass solche Vorschläge von Berufspolitikern kämen und nicht von Personen, die sich jeden Tag die schwere Arbeit aufbringen.
«Im Bauhaupt- und Baunebengewerbe haben wir mit den Sozialpartnern das Rentenalter auf ein erträgliches Mass reduziert. Bauarbeiter haben seit 20 Jahren die Möglichkeit, würdig mit 60 Jahren in Pension zu gehen», erklärte Ernst Zülle, Vetretung Travail.Suisse und Stiftungsrat für einen flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (FAR). Hier finanzieren Arbeitgeber (5.5 Prozent) und Arbeitnehmer (2.25 Prozent) die letzten fünf Jahre vor der ordentlichen Pensionierung. «Im Rentenumlageverfahren wird eine Rente von 65 Prozent des letzten Lohnes plus eine Pauschale von 6000 Franken durch 12 im Jahre bezahlt. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten», so Zülle weiter. Die Initiative würde die Bauleute dazu zwingen, wieder zwei und mehr Jahre länger auf dem Bau zu arbeiten obwohl man genau wisse, dass nach körperlicher Arbeit bei Hitze, Regen und Kälte die Gesundheit angeschlagen sei. «Auf solche Ideen kommt man nur, wenn man noch nie körperlich hart draussen bei jedem Wetter gearbeitet hat», betonte Ernst Zülle.
«Seit dem 1. Januar ist die Reform AHV 21 in Kraft, das Rentenalter für Frauen wird schrittweise von 64 auf 65 Jahre angehoben. In der äusserst knapp ausgefallenen Abstimmung zur AHV-Reform wurden die Stimmen, die vor einer weiteren Erhöhung des Rentenalters gewarnt haben, als Falschaussage bezeichnet», erklärte SP-Kantonsrätin Sonja Wiesmann. Für Frauen sei eine Frühpensionierung aufgrund eines geringeren Lohns deutlich schwieriger, auch in der Pensionskasse seien Frauen immer noch benachteiligt. Diese Abstimmung sei ein Affront gegenüber Frauen und gegenüber der Stimmenden.
Die Initiative treffe diejenigen Menschen am stärksten, die durchschnittlich einen kürzeren Ruhestand haben und tendenziell eher bei schlechterer Gesundheit sind. «Zudem scheiden bereits heute viele Menschen ab 55 Jahren vermehrt aus dem Arbeitsleben aus, weil sie nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten oder keine Stelle mehr finden», sagte Nationalrätin Nina Schläfli. Ein Jahr vor dem eigentlichen Rentenalter arbeite so nur noch die Hälfte der Männer und Frauen. Auf dem Arbeitsmarkt seien ihre Perspektiven schlecht, nur wenige Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gäben älteren Arbeitssuchenden eine Chance. «Die Erhöhung des Rentenalters wird mehr Personen in die Langzeitarbeitslosigkeit oder in die Sozialhilfe und Überbrückungsleistung treiben», so Schläfli weiter. Rund 700'000 Schweizerinnen und Schweizer seien unterbeschäftigt weil sie zum Teil zu alt sind oder bereits IV-Rente beziehen. «Solange nicht alle arbeiten können, die arbeiten wollen, nutzen wir unser Potenzial nicht und strafen alle, indem sie länger arbeiten müssen», betonte die Nationalrätin.
«Wir alle verdienen einen Ruhestand bei guter Gesundheit und sollen nicht bis zur kompletten Erschöpfung arbeiten müssen», ist sich Junge Grüne Thurgau Kantonsrat Simon Vogel sicher. «Mit der Renteninitiative haben jedoch alle, für die die Rente bereits heute kaum zum Leben reicht, keine andere Wahl als länger zu arbeiten», so Vogel weiter. Bereits heute liessen sich Personen frühpensionieren, die es sich leisten können. Diese hätten bereits heute eine deutlich höhere Pensionskassen-Rente und dies trotz Kürzung durch den früheren Austritt. «Diese Initiative will eine starre Formel in die Verfassung, welche keine Flexibilität bietet. Soziale Leistungen oder die Berücksichtigung der Situation am Arbeitsmarkt wären damit nicht möglich», erklärte Simon Vogel. Das Festlegen des Rentenalters müsse auch in Zukunft durch das Berücksichtigen verschiedener Aspekte geschehen und nicht mit einem reinen Automatismus.
Für die Grünen-Kantonsrätin Erika Hanhart wäre das höhere Rentenalter vor allem für tiefe und mittlere Einkommen ein grosser Nachteil. «Diese Arbeitnehmenden können es sich nicht leisten, früher in Pension zu gehen.» Arbeitnehmende mit hohen beruflichen Belastungen und einem tieferen Bildungsabschluss leben deutlich weniger lang und seien weniger gesund. «Die Rentenaltererhöhung würde demzufolge diejenigen am meisten treffen, die einen kürzeren Ruhestand haben und vielfach weniger gesund sind.»
Von Nico Wrzeszcz
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