17.11.2023 08:00
«Mit 26 kaufte ich mir einen Porsche»
Rainer Schlegelmilch war bis 2012 regelmässig als Fotograf an den Automobil-Rennstrecken dieser Welt unterwegs. Über 50 Jahre lang begleitete er berühmte Rennfahrer. Im Fokus standen aber immer die Sportwagen. So auch in seinem neuen Buch, das Porsche-Rennbilder von 1963 bis 1988 zeigt.
Rainer Schlegelmilch, wie kamen Sie eigentlich zum Motorsport?
Ich kam durch einen Kollegen in die Welt des Motorsports. Er meinte, dass ich doch Fotograf sei und Bilder von den Fahrern machen soll, damit er sich diese dann unterschreiben lasse könne. Er hatte mich dann ein-, zweimal mitgenommen. Die Porträts habe ich dann für meine Abschlussarbeit an der Bayrischen Staatslehranstalt für Photographie mit dem Thema «Gesichter von Rennfahrern» benutzt. Dann bin ich auch mal selbst zu den Rennen gefahren, nach Le Mans zum 24-Stunden-Rennen oder zur traditionellen Targa Florio. Ich habe mich recht schnell selbstständig gemacht, weil ich gemerkt habe, dass man als Fotograf nur dann Spass an solchen Jobs hat, wenn man das nicht im Angestelltenverhältnis macht. In einer grossen Wohnung hatte ich mir zwischen Schlaf- und Wohnzimmer ein Atelier eingerichtet, und so fing das dann an.
Wie ist daraus Ihr neues Buch «Porsche Racing Moments» entstanden?
Das war so ein bisschen wie ein Dornröschenschlaf. Ein Freund meinte vor einiger Zeit, ich könne aus den vielen, tollen Bildern doch ein Porschebuch veröffentlichen. Vor zwei Jahren erinnerte ich mich wieder daran. Ich machte mich jeden Tag an die Arbeit und suchte Bilder heraus. Ich habe das ganze Buch selbst konzipiert, habe mir die Bilder ausgedruckt und händisch eine Vorlage des Buches mit passenden Kommentaren zusammengestellt. Das habe ich an einen Grafiker weitergeleitet, der das alles im InDesign erfasste. In diesem Umfang als Privatier so etwas herauszubringen ist jedoch schwierig. So habe ich die Vorlage dem Taschen-Verlag gezeigt und die meinten, dass die Fotografien so «geil» sind. «Das machen wir».
Wie ist der Bildband aufgebaut?
Das Buch beginnt mit schwarz-weiss Fotografien von einem klassischen Le Mans-Start 1963, als die Fahrer noch zu ihren Autos laufen mussten. Und es sind einige Anekdoten und Vorworte drin von Rennfahrern, darunter Jacky Ickx und auch Timo Bernhard, der 1988 acht Jahre alt war, als die letzten Aufnahmen für das Buch gemacht wurden. Ich habe in diesem Buch einfach mal besondere Porsche-Momente aufgenommen. Manchmal bin nachts um die Rennstrecke gelaufen, habe die Sonnenaufgänge genossen und diese Ruhe in der Fotografie aufgesogen. Ich war fotografisch engagiert und wollte diese Leidenschaft austoben. Ich habe gemacht, woran ich Spass hatte. Sonst wäre ich Jurist geworden, wie mein Vater gewollt hätte.
Warum haben Sie Ihren Fokus auf Porsche gelegt?
Zu Porsche hatte ich schon immer ein bisschen mehr Nähe. Erstens bin ich selbst Porsche gefahren und dann sprachen die Mechaniker auch deutsch. Ferrari-Mechaniker waren skeptisch gegen alle Journalisten, vor allem gegen anderssprachige. Die Deutschen waren freundschaftlicher und kollegialer, zugänglicher. Es ist schön, wenn man viele Bilder hat und damit auch die Geschichte dahinter wieder zusammenbringen kann.
Was mich auch immer fasziniert hat, war, dass alles vor der Box stattgefunden hat. Man konnte damals noch beobachten, wie sich die Mechaniker ihr Werkzeug zurecht gelegt haben. Und deshalb hört das Buch auch 1988 auf, danach wurden die grossen Mauern als Abgrenzung vor der Boxengasse gebaut. Die Autos sind sofort in die Garage gefahren, ein Grossteil der Bilder wäre überhaupt nicht mehr möglich gewesen.
Wie war das damals für Sie, von Rennen zu Rennen zu reisen?
Ich bin nach dem Rennen direkt zurück gebrettert. Ich hatte mein Studio in Deutschland, hab versucht, meine Aufträge in drei bis vier Tagen abzuschliessen und bin dann donnerstags nachts um 2 Uhr wieder los, damit ich nachmittags in Le Mans war, zum Beispiel. Die Rennwochenenden fingen ja meistens am Donnerstag bereits an. Schliesslich konnte ich mir auch einen Traum erfüllen und mir mit 26 Jahren einen Porsche kaufen können.
Ich habe 12 bis 15 Rennen im Jahr besucht und habe, so gut es ging, die Rennorte miteinander verbunden. Monte Carlo habe ich mit Spanien kombiniert. Nürburgring war natürlich ganz besonders, ich habe das Training miterlebt. Damals riskierten die Fahrer viel mehr. Die so genannten «Sprungbilder» sind auf dieser Strecke natürlich immer gut. Denn damals hatten die Autos noch weniger Abtrieb und waren auf gewissen Streckenabschnitten mit allen vier Rädern in der Luft. Das war der richtige Kick für uns Fotografen. Und dann gibt es da noch die Geschichte, als 1969 der Fahrer Vic Joseph von der Strecke abgekommen ist und mich dabei fast überfahren hat. Ich konnte gerade noch zur Seite springen konnte.
Da merkt man, wie gefährlich Motorsport sein kann und auch ist.
Ich habe zweimal nahezu eine Katastrophe erlebt und dabei Glück gehabt. Nur deswegen kann ich heute noch solche Bücher machen. Ich hatte oft darüber nachgedacht, was wäre, wenn etwas Schlimmes passiert. Dann wäre auf einen Schlag alles vorbei gewesen.
Wie haben Sie sich die Reisen zu den Rennen finanziert?
Ich war erfolgreich in der Werbung tätig und dazu noch ganz gute und habe ein Jahr lang für die Bundeswehr fotografiert. Eine Agentur kam auf mich zu, die den Auftrag hatte, Nachwuchs zu werben. Die haben unter anderem Kalender gemacht und hatten auch Titelseiten für ihre Broschüren gebraucht. Diesen Kontakt habe ich bekommen, weil ich journalistisch arbeiten konnte, aber auch Erfahrung in Werbefotografie hatte. Ich habe aus Spass auch einige Sachen selbst ausprobiert, wie Panzer fahren oder von Gebäuden abseilen.
Also: Ich habe mit der Werbung so gut verdient, dass ich mein Auto hatte, und konnte mir es leisten, nach Monte Carlo zu fahren. Und ich konnte es mir erlauben, Bilder nicht verkaufen zu müssen, habe dafür aber alle Hotels selbst bezahlt. Anfangs musste ich mich für die Rennen akkreditieren und habe deshalb Bilder verschickt, um eben zu den Rennen zu können. Bis eines Tages Bernie Ecclestone (damaliger Formel 1-Boss) zu mir kam, und mir einen Fotografenpass auf Lebenszeit ausgestellt hat.
Ich hatte immer den Vorteil, dass ich mein Archiv selber geführt und immer erweitert habe. Die Bilder nicht an Zeitschriften weitergeben, das ist das Wichtigste. Sonst hätte ich die jetzt nicht alle gehabt.
Sie haben 2017 Ihr Archivverkauft. Wie kam es dazu?
Ich hatte das Problem, dass ich rund 600'000 Bilder hatte. Und was macht man jetzt als Fotograf? Ich habe anfang der 2000er Jahre begonnen, die Bilder zu scannen und zu digitalisieren. Irgendwann habe ich gemerkt, dass kein Weg dran vorbeigeht, die Daten einer grossen Firma mit einem gewissen Know-How weiterzugeben. Die meisten Fotografen sterben mit ihren Dias und Negativen zu Hause, ihre Frauen versuchen, dass noch zu verkaufen. Aber kein Mensch interessiert sich dafür, wenn sie nicht perfekt geordnet sind. Dann werden die Fotos meistens verhökert, ich kenne viele Fälle, in denen die Archive billigst aufgekauft wurden.
Ich bin ab einem gewissen Punkt auch nicht mehr herumgewuselt um die besten Plätze zu finden. Ich habe das 50 Jahre gemacht bis 2012. Dann habe ich gemerkt, dass es Zeit ist, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. So habe ich unter anderem Foto-Ausstellungen gemacht, in Kalifornien, in Wien oder im Hangar 7 von Dietrich Mateschitz in Salzburg. Das hat schon auch Freude gemacht, sich mit seinen Arbeiten zu präsentieren. Solche Bücher, von denen ich über 40 Stück gemacht habe, sind nun die einzige Möglichkeit, meine Arbeit weiter leben zu lassen.
Interview: Nico Wrzeszcz