27.06.2024 10:49
Kleiner Musical-Star ganz gross
Leo Lemmerich aus Frauenfeld spielt "Billy Elliot"
Das Musical «BILLY ELLIOT» gehört zu den erfolgreichsten West-End- und Broadway-Produktionen. Mehr als 12 Millionen Menschen haben die Inszenierung mit der Musik von Elton John bereits besucht. Nach dem das Musical die ganze Welt erobert hat und sogar in Koreanisch übersetzt wurde, wird es in Zürich in der Maag Halle auf Deutsch aufgeführt. Die Rolle von Billy, der Mitte der 80er mit seiner Leidenschaft, dem Balletttanz auf ganz schön viel Widerstand stösst, wird abwechselnd vom Frauenfelder Leo Lemmerich und zwei anderen talentierten Kids gespielt.
Frauenfeld Seit Leo vier Jahre alt ist, spielt das Tanzen eine grosse Rolle in seinem Leben. Am Rand des Tanzstudios schaute er seinem Mami Sandra zu, wie sie sich mit ihrem Partner gekonnt zu lateinischen Takten bewegte und ahmte die Tanzschritte ganz intuitiv nach. Diese hatte der kleine Knirps schon bald drauf und erweckte die Aufmerksamkeit des Tanzlehrers. Fortan war er nicht mehr nur «Zaungast» sondern fegte selbst mit seinem Tanzgspähnli übers Parkett. Leo ist 13 Jahre alt, besucht die Oberstufe in Frauenfeld und ist ein vielbeschäftigter junger Mann. Ich hatte das Glück, den aufgeweckten Jugendlichen zwischen Schule und Training zu erwischen.
Ballett statt Boxtraining
«Mein Opa hat das Newsletter-Abo von der MAAG-Halle abonniert und sah den Aufruf, dass Castings für die Rollen des Musicals stattfinden», erzählt Leo. Sein Grossvater sah seinen Leo schon auf der Bühne und berichtete ihm davon. Auch ihm gefiel die Vorstellung, bei dem weltberühmten Musical mitzuwirken, doch der Gedanke daran war doch überwältigend. Man kann es Schicksal oder Zufall nennen: Nach dem die Ausschreibung nicht mehr ganz so präsent war, sprach seine Tanzlehrerin Leo auf die Castings an. Denn nebst den Standarttänzen versuchte sich der Bub während der Pandemie im Ballett. «Wir durften nicht mehr im Paartanz trainieren. Beim Ballett jedoch schon», erzählt Leo. Ballett lege die Basis für jede Tanzrichtung und so sah er das tänzerische Intermezzo als gutes Training, bis er wieder mit seiner Partnerin üben durfte. Und dies kam ihm nun zugute. Denn die Hauptfigur Billy will nichts lieber, als Ballett zu tanzen. Viel lieber, als das Boxtraining zu besuchen, so wie es sein Vater wollte.
Schicksal?
Sein Opa und jetzt noch die Tanzlehrerin? Scheinbar ein Zeichen, dass Leo sein Glück versuchen sollte. Die erste Castingrunde war jedoch bereits vorbei und Leo konnte gleich in die nächste einsteigen. Denn: «Es ist eine äusserst anspruchsvolle Rolle. Demensprechend aufwendig war die Suche», sagt Regisseur Mitch Sebastian. So müssen die jungen Darsteller Tanz auf hohem Niveau beherrschen und ein Talent für Schauspiel und Gesang mitbringen. Nachdem Leo beim ersten Auftritt überzeugte, folgten weitere «Auditions». Es fand sogar ein Tanz-Camp statt, nach diesem dann endgültig die Hauptrollen vergeben wurden. Gemeinsam mit Leo werden noch Moritz Fischli aus Luzern und Nevio Reymond aus Basel auf der Bühne stehen. Wie bei allen Kinderrollen muss auch diese dreifachbesetzt sein, damit mindestens fünf Vorstellungen pro Woche aufgeführt werden können. «Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich vom Klavierunterricht kam und Mami vor der Musikschule auf mich wartete. Sie strahlte und sagte, dass ich Billy sei», erzählt Leo. Ein unbeschreibliches Gefühl für den jungen Tänzer und Musiker. Zur Freude mischte sich auch Respekt – denn eine fordernde Zeit erwartete Leo. Seither reist er jeden Samstag mit dem Zug nach Zürich zum Training. «Ich bin alleinerziehend und Leo lernte schon schnell, selbstständig zu sein.» Dass ihm dies heute nützt, freut Sandra sehr. «Das Training dauert den ganzen Tag und Eltern sind sowieso nicht erwünscht», sagt er und ergänzt lächelnd: «Ihre Anwesenheit würde zu fest ablenken.»
Leo möchte nächstes Jahr in die Kanti wechseln und gibt somit nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Klassenzimmer Gas. Er bekomme wegen seinem zeitaufwendigen Engagement nicht «offiziell» eine Sonderbehandlung. Doch die Lehrer freuen sich mit ihm und drücken auch schon mal ein Auge zu, wenn sich ein Termin mit dem Unterricht kreuzt. Leo ist gespannt, wie es dann wirklich anfühlen wird, wenn 1000 Augenpaare auf ihn gerichtet sind. Da der Tanz viel mehr als nur ein Hobby für Leo ist, sieht er die Rolle als grosse Chance. «Für weitere Rollen habe ich eine sehr gute Referenz und wenn ich es gut mache, erleichtert es mir vielleicht meine Zukunft als professioneller Tänzer.» Denn schon jetzt fühlt sich Leo äusserst wohl auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
Am 1. November findet die Uraufführung statt. Alle drei «Billys» sind gespannt, wem die Ehre zu Teil wird, an der Premiere zu spielen. Wir werden Leo im Herbst bei einer Probe in Zürich besuchen und sind gespannt, wie die Reise des jungen Frauenfelders weitergeht.
Von Desirée Müller