Kanti-Lehrerin Nadja Strada. sb
13.09.2023 23:45
Begeisterung für Literatur
Kanti-Lehrerin Nadja Strada schreibt selbst und gibt ihre Begeisterung für Literatur an Schüler*innen weiter
«Frischer Wind», so heisst die neue Eröffnungsveranstaltung des Literaturwochenendes am Untersee. Was dahinter steckt, erklärt Projektleiterin Nadja Strada.
Kreuzlingen/Ermatingen Seit den Sommerferien behandelt die 3. Klasse von Deutschlehrerin Nadja Strada ein besonderes Werk: «Leoparda» von Anja Schmitter. Es ist der Erstlingsroman einer ihrer ehemaligen Schülerinnen. Schmitter wuchs in Münsterlingen auf und büffelte bei Strada an der Kantonsschule Italienisch. Das war bevor sie an der Hochschule der Künste in Bern ein Masterstudium in Literarischem Schreiben absolvierte und die Arbeit an ihrem vielbeachteten Debüt begann. Am morgigen Freitagabend bekommen die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, die Schriftstellerin kennenzulernen.
Stoff für die Matura
Die Lesung «Frischer Wind» findet im Rahmen der Literaturtage am Untersee statt (die «Nachrichten» berichteten) und soll bei jungen Menschen Begeisterung für Literatur wecken. «Dabei handelt es sich um den Abschluss des Projekts», erklärt die Pädagogin. Danach folgen noch eine Nachbesprechung und ein Aufsatz. Das Buch wird ausserdem auf die Prüfstoff-Liste für die Matura wandern . Die Veranstaltung «Frischer Wind» aufgegleist hat die Co-Organisatorin der Literaturtage, Katharina Schoeller. Diese hatte die Idee einer Zusammenarbeit zwischen Festival und Schule schon länger in sich getragen. Bei der literaturbegeisterten Lehrerin fiel ihr Vorschlag sofort auf fruchtbaren Boden. «Das Buch haben wir gemeinsam herausgesucht», sagt Strada. «Wie ich den Unterricht gestalte, entscheide ich selbst.»
Im Roman wird die Metamorphose der Hauptfigur in eine Leopardin beschrieben. Realität oder Imagination? Der Roman verweigert eindeutige Aussagen. «Auf jeden Fall kein einfaches, ein eher sperriges Buch», dachte die Kanti-Lehrerin zunächst. Darum wählte sie als teilnehmende Klasse auch eine 3. aus. Was die Schülerinnen und Schüler im zutage förderten, zeigt, dass sie einen unmittelbaren Zugang zu Roman und Protagonistin fanden. 50 Seiten mussten sie pro Woche lesen. Darauf basierend besprachen sie das Werk der Thurgauer Autorin im regulären Deutschunterricht. Die Arbeit am Text fand als klassische Textanalyse statt. Es entstanden lebhafte Diskussionen. Daneben gab es kreative Auseinandersetzungen. Die Schülerinnen und Schüler bekamen Schreibaufträge und stellten einzelne Schlüsselmomente sogar als Standbilder nach. Auch intertextuelle Bezüge untersuchte die Klasse. Natürlich zu Kafkas «Verwandlung», aber auch zu «Mein Name sei Gantenbein» von Max Frisch.
An der Lesung am Freitagabend werden 16 Schülerinnen und Schüler Fragen an die Autorin stellen, die sie zuvor im Unterricht erarbeiteten. Diese können das Buch betreffen oder persönlicher Natur sein. «Eine aktuelle Autorin zu treffen, die aus der Region stammt und vom Schreiben lebt, das ist inspirierend», hofft Nadja Strada. Vielleicht bricht das Erlebnis das Eis und kann die Schülerinnen und Schüler nachhaltig für Literatur und Lesungen begeistern.
Mit eigenen Texten begeistern
Für Nadja Strada ist es nicht die erste Lesung, an die sie mit einer Klasse geht. Die Arbeit mit Texten ist für sie essenziell. Ihre Leidenschaft für Literatur ist authentisch: Sie schreibt schon, seit sie ein kleines Mädchen war. Mittlerweile hat die Autorin ein Buch mit Kurzgeschichten und eine Novelle veröffentlicht. Die Kurzgeschichten entstanden in einer halbjährigen Auszeit, die Novelle in einer Weiterbildung. «Den Abstand benötige ich», sagt sie. «Im Alltag fehlt mir die Zeit, literarische Ideen zu entwickeln.» Auch ihre eigenen Texte waren schon Stoff im Unterricht: «Die Schülerinnen und Schüler finden es spannend, wenn die Lehrerin aus ihren eigenen Texten vorliest.» Und wer weiss, vielleicht lesen sie selbst einmal eigene Texte vor. «Frischer Wind» soll fester Bestandteil des Literaturfestivals werden und könnte eines Tages auch unbekannten Talenten eine Bühne bieten.
Von Stefan Böker
Öffentliche Lesung
Anja Schmitter liest am 14. September, 19 Uhr, im Alten Debrunnerhaus, Ermatingen. Die Lesung ist öffentlich. Infos und Anmeldung: literaturamuntersee.ch