Gegen Antisemitismus eintreten sollte eigentlich selbstverständlich sein. AdobeStock
15.11.2023 23:45
«Blanker Judenhass»
Zwei Vorstösse im Grossen Rat greifen den steigenden Antisemitismus im Land auf
Grünen-Grossrat Peter Dransfeld und sein EDU-Kollege Marcel Wittwer thematisieren Antisemitismus. Beide konstatieren eine massive Zunahme seit dem Terroranschlag auf Israel am 7. Oktober.
Frauenfeld Kantonsrat Peter Dransfeld äussert in seiner Einfachen Anfrage Sorge über die aktuelle Situation. Der jüngste Nahostkonflikt, ausgelöst durch das schreckliche Massaker an israelischen Zivilisten am 7. Oktober, hat in mehreren europäischen, auch in Schweizer Städten, zu Demonstrationen geführt. Dort sei die angewendete Gewalt verherrlicht oder zumindest toleriert worden, so Dransfeld. Es habe zudem antisemitische Äusserungen gegeben. Dransfeld: «Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund berichtet von 57 antisemitischen Vorfällen, darunter sechs Tätlichkeiten innert vier Wochen, was einer massiven Zunahme seit dem 7. Oktober entspricht.»
In diesem Zusammenhang bittet der Grünen-Kantonsrat aus Ermatingen den Regierungsrat um Beantwortung folgender Fragen: Hat der Regierungsrat Kenntnis einer Zunahme von Gewaltverherrlichung, Gewaltrelativierung und seit dem 7. Oktober 2023? Hat der Regierungsrat in dieser Beziehung Kenntnis von Demonstrationen, von Äusserungen an Versammlungen, in sozialen oder anderen Medien? Hat er Kenntnis von Tätlichkeiten? Weiter will Dransfeld vom Regierungsrat wissen, ob dieser in jüngster Zeit eine erhöhte Bedrohung von Minderheiten wie Juden oder Moslems im Thurgau feststellt und ob in Bezug auf die gestellten Fragen Massnahmen getroffen oder geplant wurden, um Sicherheit und öffentliche Ordnung sowie den Schutz von Minderheiten zu gewährleisten. Aufrufe zur Gewalt müssen mit Entschlossenheit verfolgt und verhindert erden, so Dransfeld weiter. Dass mitten in Europa, auch hier in der Schweiz, vor genau 85 Jahren öffentliche Gewaltaufrufe einen beispiellosen Völkermord einleiteten, verpflichte in seinen Augen zu besonderer Wachsamkeit.
Wenn Marcel Wittwer (EDU) Nachrichten aus Europa und der Schweiz schaut, sieht er «grausige Bilder blanken Judenhasses». Wittwer: «Im Kleid des Antizionismus wird Antisemitismus offen ausgelebt.» Besonders häufig und stark überproportional trete Antisemitismus seiner Ansicht nach in migrantischen Kreisen auf. Der Grossrat aus Schocherswil bezeichnet die «europäische Einwanderungspolitik der offenen Grenzen» daher als «gescheitert». Im ländlichen Thurgau seien diese Vorfälle zum Glück weniger stark präsent. Dennoch trage man eine Mitverantwortung, aktiv antisemitischer Energie entgegenzutreten. Darum will Wittwer vom Regierungsrat wissen, wie die Schulen Antisemitismus vorbeugen. Wird dem Holocaust ein angemessener Platz im Geschichtsunterricht eingeräumt? Wie werden themenbezogene Inhalte, etwa Exkursionen, sichergestellt? Wie wird Integration von Ausländern sichergestellt, ohne dass Judenhass sich in verbaler oder physischer Gewalt manifestiert? Und zuletzt: Was unternimmt die Migrationsbehörde proaktiv gegen antisemitisches Bedrohungspotenzial?
Von Stefan Böker
Im Thurgau ist es ruhig geblieben
Die «Nachrichten» haben bei der Kantonspolizei Thurgau nachgefragt. Diese habe ihre Mitarbeitenden zeitnah sensibilisiert, alle Meldungen antisemitischen oder antiisraelischen Inhalts entgegenzunehmen, auch wenn Personen keine Anzeige aufgeben wollen, teilt Mediensprecher Andy Theler mit. Bisher seien jedoch keine solcher Meldungen eingegangen. Vice versa gelte das Vorgehen auch für anti-palästinensische Äusserungen und Aktionen. Eine erhöhte Bedrohung von Minderheiten wie Juden und Moslems im Thurgau kann die Kantonspolizei demnach nicht feststellen. Die Kantonspolizei Thurgau habe dennoch Massnahmen getroffen. Zu deren Inhalt könne er aber aus naheliegenden Gründen keine Angaben machen, so Theler.